Alters- Elegie
- (1)
- o weh, wohin entschwunden ist mir jahr um jahr?
Hab ich mein leben geträumet oder ist es wahr?
Wovon ich wähnte, daß es wäre, war das nicht?
Danach hab ich geschlafen, und ich weiß es nicht.
Nun bin ich erwacht, und mir ist unbekannt,
Was mir hievor war kundig wie die eigene hand.
Leute und land, wo ich von kindheit bin erzogen,
Die sind mir fremd geworden als sei es erlogen.
Die meine gespielen waren, die sind träg und alt.
Verwüstet ist das feld, verhauen ist der wald:
Nur daß das wasser fließet, wie es weiland floß;
Fürwahr, ich wähne, unglück wurde mein genoß.
Mich grüßet mancher träg, der einstens mich gekannt;
Die welt ist allenthalben der ungnaden pfand.
Wenn ich gedenk an manchen wonneliehen tag,
Die mir sind entfallen ganz wie in das meer ein schlag,
Immer mehr 0 weh!
- (2)
- Oh weh, wie jämmerlich ich junge leute fand!
Denen unbekümmert ihr gemüt einst stand,
Die kennen nichts als sorgen: weh, was tun sie so?
Wo ich zur welt mich kehre, da ist niemand froh:
In sorgen ist zergangen tanz und sang sogar,
Kein christenmensch sah je so jämmerliches jahr.
Nun merket wie den frauen ihre bänder stehen,
Die stolzen ritter seht im bauernkleide gehen.
Uns sind unsanfte briefe her von rom gekommen,
Uns ist erlaubt das trauern und freude ganz genommen.
- (3)
- Das müht mich inniglich - wir lebten einst so wohl-,
Daß ich nun für mein lachen weinen wählen soll.
Die wilden vögel selbst betrübet unsere klage,
Was wunders ist, wenn ich darum verzage?
Was sprech ich tumber mann in meinem zornigen wahn?
Wer dieser wonne folget, der hat jene dort vertan.
Immer mehr 0 weh!
- (4)
- o weh, wie uns die süßen dinge sind vergeben,
Ich seh die galle mitten in dem honig schweben.
Die welt ist außen schön, ist weiß und grün und rot,
Doch drinnen schwarzer farbe finster wie der tod.
Wen sie nun hat verleitet, schaue seinen trost:
Er wird durch schwache buße großer schuld erlost.
Daran gedenket, ritter: es ist euer ding.
Ihr tragt die lichten helme und manchen harten ring,
Dazu die festen Schilde und das geweihte schwert.
Wollte gott ich wär der siegeskämpfe wert,
So wollt ich dürftiger mann verdienen reichen sold.
Doch mein ich keine hufen noch der herren gold,
Ich wollte meine krone ewig droben tragen:
Die kann ein söldner nun mit seinem speer erjagen.
Könnt ich die liebe reise fahren über see,
So wollt ich noch singen »wohl« und nimmermehr »0 weh«.
Übertragen von Friedrich Wolters
