Aus Amaryllis
- (1)
- Amara, bittre, was du tust, ist bitter,
- Wie du die Füße rührst, die Arme lenkest,
- Wie du die Augen hebst, wie du sie senkest,
- Die Lippen auftust oder zu, ist bitter.
- (2)
- Ein jeder Gruß ist, den du schenkest, bitter,
- Bitter ein jeder Kuß, den du nicht schenkest,
- Bitter ist, was du sprichst und was du denkest,
- Und was du hast und was du bist, ist bitter.
- (3)
- Voraus kommt eine Bitterkeit gegangen,
- Zwo Bitterkeiten gehn dir zu den Seiten,
- Und eine folgt den Spuren deiner Füße.
- (4)
- O du mit Bitterkeiten rings umfangen,
- Wer dächte, daß mit all den Bitterkeiten
- Du doch mir bist im innern Kern so süße.
- (5)
- Du standst in dich verhüllt gleich einem jungen
- Frühlinge, der sich selbst noch nicht empfunden,
- Ich kam und brachte deines Lenztums Kunden
- Dir erst durch meiner Blicke Flammenzungen.
- (6)
- Aufwachtest du aus deinen Dämmerungen
- Und stehest jetzt, in freier Blüt' entbunden,
- Siegatmend da. Was hab ich Lohn gefunden,
- Daß ich zuerst den Lenz dir angesungen?
- (7)
- Die Lerche darf im Saatfeld, wo sie schwirrte,
- Die Nachtigall im Buschwerk, wo sie lockte,
- Die Schwalbe, wo sie sang, ans Dach vom Moose
- (8)
- Ihr Nest sich baun. O du, um die ich girrte,
- Mir Dach und Busch und Saatfeld, O Verstockte,
- Wo soll ich nisten als in deinem Schoße?
- (9)
- Glück, Heil und Segen dir und jeder Quelle
- An dir, daraus ich sog Genusses Wogen,
- Berauschung in des Armes offnem Bogen,
- Entzückung aus des offnen Auges Helle.
- (10)
- Glück, Heil und Segen dir und jeder Stelle,
- Wo du mich in dein süßes Netz gezogen,
- Wo du beglückt mich, wo du mich betrogen,
- Denn Trug ist ja der Liebe Spielgeselle.
- (11)
- Ich weiß nicht, ob ein Blick, der je ins Leben
- Mir ging, aus deinem Leben sei gekommen,
- Aus deinem Geist zu meinem ein Gedanken,
- (12)
- Ich weiß nicht, ob du etwas mir gegeben;
- Doch daß ich etwas mir von dir genommen,
- Das weiß ich, und will dir auch dafür danken.
